Ausstellung: Drive Drove Driven

Die Ausstellung „Drive Drove Driven: Cars in Contemporary Photography“, die nach Omaha, Nebraska gerade in Berlin Station macht, zeigt 136 Arbeiten von 23 zeitgenössischen Fotografen, die das Automobil in seinen vielfältigen Facetten beleuchten. Matthias Harder, eigentlich Chefkurator der Berliner Helmut Newton Stiftung, hat die Ausstellung für die Kommunale Galerie in Berlin kuratiert.

Martin Klimas, Untitled (Car 162095), 2010

INTERSECTION: Peter Sloterdijk hat das Auto mal einen fahrenden Uterus genannt.

Matthias Harder: Das ist ein schöner Begriff, der extremen Schutz suggeriert, für den die Wohlfühloase Automobil steht. Bei vielen Fotografen geht es – wie bei den Autofahrern – auch immer wieder um Begegnungen, Blickkontakte oder eine Intimsphäre.

Hat sich der Blick der Fotografen auf das Automobil denn in den letzten Jahrzehnten verändert? Viele Arbeiten der Ausstellung haben einen morbiden Unterton.

Es gibt weiterhin viele Fotografen, die an der Grenze zur Werbung arbeiten, die den Luxusaspekt, das Design oder den Besitzerstolz zeigen. Aber wir alle wissen, wenn das Auto das Produktionsband verlassen hat und im Berliner Regen steht, dann verändert sich eine solche Auffassung dem Auto gegenüber, und dann gibt es auch schnell die ersten Kratzer. Die Ausstellung umfasst all diese Aspekte: vom Statussymbol bis zum Umweltkiller, vom inszenierten Unfall bis zum Roadmovie. Ich würde nicht sagen, dass es in der zeitgenössischen Fotografie einen Fokus auf das Morbide gibt, aber es ist durchaus ein relevantes Motiv. Die Faszination für das Automobil ist in unserer Gesellschaft nach wie vor vorhanden, aber es wird heute sehr viel differenzierter wahrgenommen. Vor fünfzig oder sechzig Jahren lebten wir in einer anderen Zeit, und es gab  eine andere Begeisterung, eine affirmative Einstellung zur Idee des Unterwegsseins. Man hat sich weniger mit den negativen Aspekten, etwa der Umweltverschmutzung, auseinandergesetzt. Das kritische Bewusstsein hat sich erst später entwickelt.

Anlässlich der Eröffnung einer Automesse hat der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl das Auto 1998 als ein „Stück gelebter Freiheit“ bezeichnet. Auch diese Idee des Automobils als Freiheitssymbol ist etwas, das man heute in den Bildern der Ausstellung eigentlich kaum noch wahrnimmt.

Wir sind aus unterschiedlichen Gründen momentan in einer Umbruchsituation, ja in einer Krise und gehen in eine ungewisse automobile Zukunft. Das, was wir hier zeigen, ist ein Status Quo. Wenn wir endlich große technische Sprünge in der E-Mobilität machen, dreht sich vielleicht alles wieder ins Positive. Selbstverständlich gibt es noch heute viele Konsumenten, die sich einen großen SUV mit Zehnfach-Airbag kaufen, um in einem möglichst sicheren Kokon über die Straßen zu rollen. Demgegenüber stehen aber immer mehr Menschen, die sich ganz bewusst dagegen entscheiden, fünfzig, sechzig Tausend Euro dafür auszugeben. Wenn man sich heute junge Erwachsene ansieht, bei denen das eigene Auto jahrzehntelang der größte Traum war, dann sieht man, dass heute plötzlich Smartphones, Spielekonsolen oder Reisen viel wichtiger geworden sind. Es gibt also ganz unterschiedliche Tendenzen, gesellschaftlich wie fotografisch. Denken Sie nur an die holländische Fotografin Jacqueline Hassink, die mit ihrer fantastischen Serie „Car Girls“ die noch immer ziemlich klischeehafte Inszenierung auf Automessen von Detroit bis Shanghai porträtiert und entlarvt hat. Den Fetisch rund um das Auto gibt es noch immer.

Melina Papageorgiou, Car-Stop Light, 2015 (19:10) In ihren Arbeiten inszeniert Melina Papageorgiou Autos oft in radikalen Bildausschnitten subtil als Designobjekte und Statussymbole. Die gesamte Szenerie hier wird nur durch das Scheinwerferlicht illuminiert.

Wie kam es überhaupt zu der Idee, eine Ausstellung über Autofotografie zu machen?

Ich habe schon seit Jahren Material gesammelt. Mir sind immer wieder faszinierende Bilder begegnet, und irgendwann hat es sich zusammengefügt. Ich hatte die Auto-Ausstellung ursprünglich schon vor zwei Jahren geplant, aber an unserem ersten Standort in Omaha gab es einen tragischen Zwischenfall, und so hat sich alles nach hinten verschoben. Kurz zuvor bzw. parallel gab es kurioserweise noch in Paris die Ausstellung Autophoto und in Emden Das Auto in der Kunst. Rasende Leidenschaft. Jede Ausstellung ist unabhängig von den anderen entstanden und hat eine unterschiedliche Ausrichtung. Das Besondere an „Drive Drove Driven“, die wir an mehreren Standorten planen, ist die immer wieder neue Zusammensetzung. Es gibt einen Nukleus an festen Arbeiten, aber wir werden immer wieder auch neue, teilweise lokale Künstler dazustellen, in Innsbruck ab Juni beispielsweise Tina Winkhaus, Arnold Odermatt und Jörn Vanhöfen.

Was berührt Sie emotional am Auto?

Die Form. Mein Traumauto war eigentlich immer eine Citroën DS oder ein Volvo 1800. Grundsätzlich mag ich eher klassische Modelle, mein erstes Auto vor vielen Jahren war allerdings ein sehr pragmatischer kleiner Fiat. Ein Freund von mir hat sich gerade einen Porsche aus den späten 70ern gekauft. Das könnte ich mir auch mal vorstellen. Doch wenn wir uns mal wieder in solche alten Modelle setzen, denken wir sofort, was beispielsweise die Servolenkung für eine fantastische Erfindung war.

Jens Liebchen, o.T., aus: Crossing L.A., Los Angeles 2010 Vom Fahrersitz seines Mietwagens blickt der Fotograf Jens Liebchen auf meist hermetisch verschlossene Fassaden in Los Angeles.

Die Ausstellung läuft noch bis zum 8. April in der Kommunalen Galerie Berlin. Die nächste Station ist FO.KU.S in Innsbruck. Hier ist Drive Drove Driven ab 7. Juni 2018 zu sehen.

 

Bild ganz oben: Martin Klimas, Untitled (Car 162095), 2010

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