BUGATTI 100P: ART-DéCO-PERLE MIT 900 PS

DIE BUGATTI 100P WÄRE DAS MODERNSTE FLUGZEUG IHRER ZEIT GEWESEN –
UND DAS SCHÖNSTE

Bugatti 100P at the Mullin Automotive Museum in Oxnard, CA, USA

Ettore Bugatti war berühmt ge- worden mit seinen Luxus-Limousinen, seine Sportwagen hatten das prestigeträchtige 24-Stunden-Rennen von Le Mans gewonnen, er gestaltete Züge und Sportboote. Nur den Himmel hatte er noch nicht erobert. 1936 ging Bugatti eine Kooperation mit dem belgischen Ingenieur Louis de Monge ein. Das Ergebnis war die Bugatti 100, ein einmotoriger Mini-Jet. Zu wenig für den ambitionierten Italiener. Das Folgeprojekt, die Bugatti 100P, sollte bahnbrechend sein: das leichteste, schnellste und vor allem schönste Flugzeug seiner Zeit, mit einer Spannweite von knapp 8,30 Meter und einer

Länge von 7,7 Meter. Angetrieben von jeweils zwei gegenläufigen konzentrischen Propellern und aus dem Rennsport entliehenen acht-zylindrigen 450-PS-Motoren, sollte sie bis auf sagenhafte 800 km/h beschleunigen. Mitte der 30er-Jahre gab es Flugzeuge mit weit mehr PS. Nur waren sie viel zu schwer. Die Bugatti wurde mit ei- nem Kern aus ultraleichtem Balsaholz und einem Startgewicht von nur 1400 Kilogramm designt. Eine Art analoger Bordcomputer sollte etwaige Fehler des Piloten ausgleichen. Moderner ging es nicht.

Für Bugatti war die 100er-Serie ein Investment. Ein erneuter großer Krieg lag in der Luft, dafür brauchte man schnelle, wendige Maschinen für den Luftkrieg. So wurde auch mit der Planung einer bewaffneten 100P wie auch einer noch leichteren, noch schnelleren 101P Serie begonnen. Doch der Krieg kam schneller als Bugatti lieb war. 1939 marschiert Hitler in Polen ein, ein Jahr später besetzt die Wehrmacht Paris.

Bugatti versteckt seinen Prototyp in einem Hangar nahe der französischen Hauptstadt, nach dem Krieg ist der Entwurf technisch veraltet, die Ressourcen für einen neuen Anlauf fehlen. Bugatti stirbt 1947, Louis de Monge 1977 ohne jemals wie- der ein Flugzeug gestaltet zu haben. Die Bugatti 100P gerät in Vergessen- heit, wie so viele große Ideen, deren Zeit noch nicht gekommen war. Heute steht die Bugatti 100P, die nie geflogen ist, im Museum der Experimental Aircraft Association in Oshkosh, Wisconsin. Ein Fan hatte nach Amerika überführt und dort weiterverkauft.

Doch vielleicht wird Bugattis Traum doch noch war. Eine Gruppe von Enthusiasten um den ehemaligen US-Air-Force-Piloten Scott Wilson und den Großneffen von Louis de Monge, Ladislas, hat sich an den Rêve Bleu, den blauen Traum gewagt und nach fragmentarischen Plänen und Zeichnungen einen Neubau begonnen. Allerdings mit zwei Suzuki- Motorradtriebwerken mit nur jeweils 200 PS. Auf mehr als 320 km/h wird es der Neubau damit nicht bringen. 2013 ging das Geld aus – aber eine erfolgreiche Kickstarter-Kampagne ermöglichte einen zweiten Anlauf.

Die Bugatti 100P soll kurz vor ihrem ersten Flug stehen. Nicht so schnell wie geplant zwar, aber genau so sexy allemal!

 

Dieser Beitrag ist in INTERSECTION Nr. 3/2015 erschienen.

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