So leicht, dass wir schweben

Im 7. Wiener Bezirk bauen zwei Enthusiasten die Mode- und Fahrradmarke BBUC auf, die bald über die Szene hinaus scheinen könnte.

Es kann sich wohl ein Gefühl der Erhabenheit einstellen und auch eines der Freiheit im Kopf, wenn man stundenlang auf dem Fahrrad gesessen hat, bis an die persönliche Erschöpfungsgrenze und darüber hinaus gegangen ist, ohne Aufwärmen und manchmal noch mit Restalkohol vom Abend zuvor im Blut. Der Wienerwald und auch die Berge, die auf solch einer Fahrt an einem vorbeiziehen, dies sei schon „eine eigene Sphäre“, sagt Marvin Mangalino in wienerischem Singsang, das sei auch „die Jagd nach dem Serotonin“. In Wien im 7. Bezirk leitet Mangalino das „Hotel am Brillantengrund“, eine Oase, umgeben von einer Oase, ein sich zu einem ruhigen und fast mediterran anmutenden Hof öffnendes Biedermeier-Gebäude inmitten des Kreativbezirks der österreichischen Hauptstadt. Das Ganze ist ein „Family-Business“ und wurde von einem großen Magazin zu einem der 100 besten Hotels unter 100 Euro die Nacht gewählt – weltweit. Im Restaurant kocht Mangalinos philippinische Mutter, die gestalterische Leitung des Hotels wie auch der hauseigenen Marke BBUC hat Christian Wieners übernommen, ein guter Freund. Zusammen haben sie einen Ort geschaffen, der über das rein Funktionale eines Transitraums für Reisende hinaus zu einer Art Inkubator für einen Lebensstil geworden ist, in dem so voneinander Abseitiges wie Kunst, Design, Kulinarik, Mode und Fahrradfahren aufeinandertreffen.

In der „Garage“ des Hotels, einem offenen Projektraum, finden spontane Begegnungen von Künstlern, Kreativen und Hotelgästen statt wie auch regelmäßig veranstaltete Meisterklassen. Zurzeit findet man hier eine Skulptur von Roland Reiter, halb High-End-Fahrrad, halb verendeter Ziegenbock, sodass man ja nicht vergisst, dass auch das schöne Leben endlich ist. In gewisser Weise ist die Skulptur von Reiter das Herz oder auch die Schnittstelle des „Brillantengrund“. Mangalino wie auch Christian Wieners sind so kunst- wie fahrradverrückt. Über Begegnungen im Hotel ergab sich der Kontakt zu der Unicorn-Fahrradmannschaft. Mittlerweile fährt das Team unter dem Namen Brillibrilliant Unicorn Racing Dream. Das Besondere ist, dass die Fahrradjerseys von Mangalino, der eigentlich freie Kunst studieren wollte, und Wieners, zuvor Artdirektor einer Werbeagentur, selbst gestaltet sind.

"Dieser Moment der Schwerelosigkeit, wenn der Körper die Müdigkeit überwindet und alles nur mehr fliesst."

Die Fahrradszene ist im Gegensatz zu Skatern und Surfern noch Entwicklungsgebiet, zumindest was passende Designerkleidung angeht. Die selbst gestalteten Jerseys des BBUC-Teams wurden erst von Freunden nachgefragt. Über Instagram verbreitet, wuchs das welt- weite Interesse, bis daraus ein selbsttragendes Geschäftsmodell entstand. Durch eine Förderung der Stadt Wien haben Mangalino und Wieners gewagt, sich komplett auf die Entwicklung der Marke BBUC zu konzentrieren, und sind eine Kooperation mit dem Wiener Mode-Label Wendy&Jim eingegangen. Die fünfzehnteilige Kollektion, die Mode rund ums Fahrradfahren, etwa Hoodies und Jeansjacken, umfasst, geht ab 21. Oktober in den Verkauf. Weitere Kooperationen mit Labels wie Festka, Campagnolo, Enve und Brooks laufen bereits.

Wie bei großen Vorbildern aus der Skate- und Surfszene ist das BBUC-Label ein aus der Kultur selbst gewachsenes und folgt keiner von oben geplanten Marketingstrategie. Das ist den beiden Gründern extrem wichtig. „Wir sind nicht Thrasher“, sagt Wieners, „aber die Leute spüren unseren Lebensstil, finden ihn cool, sehen, dass wir nicht alles so bitter ernst nehmen wie viele in der Fahrradszene, aber trotzdem dafür brennen, was wir tun“. Ein Vorbild sei der Junior-Weltmeister im Einzelzeitfahren und mehrmalige amerikanische Meister in der Einerverfolgung, Taylor Phinney. Dem wäre mit Ende dreißig zum ersten Mal aufgefallen, dass es beim Fahrradfahren eben nicht nur ums Gewinnen geht, sondern dass der Sport vor allem ein Mittel sei, spannende Menschen neu und sich selbst besser kennenzulernen. Es ist dieses Bewusstsein, welches sich bei Mangalino und Wieners eben auch auf ihren Fahrrad-Touren durch das Wiener Umland entwickelt hat; in diesen Momenten der Schwerelosigkeit, wenn der Körper die Müdigkeit überwindet, alles nur mehr fließt und das Rollen zum Schweben wird. Wenn die kommenden Kollektionen und Kooperationen von BBUC dieselbe Leichtigkeit haben, dann werden sie sicher auch über die Cycling-Szene hinaus bald für Aufsehen sorgen.

Hotel am Brillantengrund
Bandgasse 4,
1070 Wien
hotel@brillantengrund.com Tel: +43 1 52 33 662

Label: http://bbuc.co/

Text: Ruben Donsbach
Fotos: Stefan Armbruster

Verwandte Artikel