Wie werden wir fahren, kaufen und besitzen? Welche Bedeutung wird Status haben und wann ist spät eigentlich genau richtig? Wir sprachen mit Britta Seeger von Daimler über die Zukunft.
Das Nächste oder Nichts.
Beim Thema Elektromobilität war Daimler relativ spät dran bzw. nicht in der ersten Riege, was macht ihr dafür jetzt anders als die anderen?
Also erstmal zu „spät dran“, man muss da ehrlicherweise auch sehen, dass wir bei uns im Haus die erste rein elektrische Marke haben: Smart. Mit der Entscheidung unter der Marke quasi alle Modelle rein elektrisch anzubieten, waren wir sehr weit vorn. Auf eine neue Architektur zu gehen, ist eine große Entscheidung. Das dauert. Und jetzt sehen wir ja, dass es relativ schnell geht, sobald man diese Architektur hat. Jetzt haben wir den EQA und den EQB, jetzt kommt der EQS, und EQE. Jetzt haben wir die Produkte, welche die Faszination bei den Kunden auslösen. Und gerade auch durch das Brennglas Corona haben sich viele Menschen nochmal intensiver mit Zukunftsfragen auseinandergesetzt. Das hat bei uns dazu geführt, dass wir unsere Strategie beschleunigt haben. Von Electric First zu Electric Only. Ab 2025 werden alle Fahrzeuge, die wir auf der neuen Plattform zeigen, rein elektrisch sein. Wir müssen die Antworten auf die Fragen unserer Kunden geben, gerade als Luxusmarke. Die sagen uns „Ich möchte nachhaltig sein, ich möchte aber auch nicht auf den Fahrspaß verzichten“. Deshalb haben wir auf der IAA unsere AMG vorgestellt.
Gerade die G-Klasse hat ja diese ikonische Form, wie wird sich dieses Design mit der Elektrifizierung verändern?
Unsere Kunden haben sehr spezifische Anforderungen, nun ergänzt um Nachhaltigkeit. Jedes Konzept gibt eine andere Antwort. Es gibt nicht die eine Lösung für alles. Auf der einen Seite gibt es andere Anforderungen für elektrisches Fahren, auf der anderen Seite möchten sich unsere Kunden mit ihrem Auto ausdrücken.
Wie werde ich mein Auto in Zukunft kaufen?
Wir glauben als Luxusmarke ist die Haptik, das Ausprobieren wichtig. Auch der persönliche Service. Wenn ich eine Frage habe, möchte ich die stellen können, ich möchte mit jemandem reden. Also vielfältige Anforderungen an den persönlichen Kontakt. Besonders bei uns bei Mercedes. Doch auch unsere Kunden verändern sich. Und selbstverständlich wollen wir, dass der Kunde derjenige ist, der entscheidet, was er jetzt möchte. Stand heute hat der Kunde gar nicht die Wahl sein Auto Sonntagabend vom Sofa aus zu kaufen. Und ich halte das nicht für nachhaltig. Deshalb haben wir uns schon vor drei oder vier Jahren aufgemacht, um die Antwort darauf zu finden. Perspektivisch soll der Kunde nicht mehr gezwungen sein, irgendwo hin gehen zu müssen. Er kann es. Aber er möchte die Freiheit haben, das eine oder das andere zu machen. Und genau da geht der Weg hin. Besonders für uns als Luxusmarke geben wir ein klares Bekenntnis zur persönlichen Beziehung, aber auch zur Freiheit volldigital kaufen zu können.
Flexibilität kommt ja auch durch Abo-Modelle, wie werden wir in Zukunft Autos besitzen?
Ich glaube, die Kunden erwarten von der Marke Mercedes mehr als nur Finanzierungsmodelle und Leasing-Angebote. Das ist zu wenig. Deshalb haben wir uns aufgemacht, diese Abo-Modelle anzubieten, um auf verschiedene Kundenbedürfnisse eingehen zu können. Und gerade bei den elektrischen Modellen bietet es sich an. Manche wollen es ausprobieren, weil sie unsicher sind, was z.B. die Ladeinfrastruktur angeht. Da erfahren wir unfassbar hohen Zuspruch. Und dann finden sie es so super, dass sie ihr Abo verlängern.
Wird das Auto im Jahre 2040 noch ein Statussymbol sein?
Ich glaube, es wird auch in Zukunft noch Menschen geben, die ihr Auto, ihr Pferd, als Statussymbol haben werden. Das ist immanent im Menschen angelegt, in einigen stärker als in anderen. Ich glaube, wir werden in Zukunft eine Flexibilisierung erleben, die sich noch gar nicht genau definieren lässt. Andererseits hat uns die Pandemie auch gezeigt, dass wir gerade wieder einen Schritt zurück gehen. Vor der Pandemie hat es einen hohen Zuspruch zur Shared Mobility gegeben. Das ist zurück gegangen. Ein eigenes Auto zu haben, und die Sicherheit, die damit einhergeht, hat eine Renaissance erlebt. Jetzt ist die spannende Frage, was die Neue Normalität bringt. Gepaart mit dem Autonomen Fahren eröffnen sich uns noch weitere Szenarien. Für die S-Klasse haben wir das schon für Autobahnen zertifiziert bekommen. Und wenn es das auch noch in die Stadt schafft, verändert sich nochmal alles. Wenn ich jedoch bei mir selbst reflektiere, erwische ich mich immer wieder dabei, wie ich selbst noch an Sachen hänge, die ich eigentlich nicht mehr bräuchte. Und trotzdem habe ich sie noch immer. Deshalb glaube ich, dass wir noch lange hybride Modellen sehen werden.
Interview: Fay Kornmeier
Fotos: Raul Suciu
Post-Production: Kenny Gessner
Foto Assistenz: Frank Freppon