EINFACH MAL LOSLASSEN…

Würde mein ehemaliger Fahrlehrer noch unterrichten, würde er mit Sicherheit gecancelt. Und zwar zurecht.

Ein paar Kostproben der Sprüche, die in den 1990ern routinemäßig bei jeder Fahrstunde zum Einsatz kamen: „Frau am Steuer, das wird teuer!“. Beim Einparken: „Das Stück zum Bordstein geh ich einfach zu Fuß!“. Und der natürlich der Klassiker: „Schönen Gruß vom Getriebe!“. Für mich bedeutete das einfach puren Stress. Ich versuchte, irgendwie unbeschadet durch den Straßenverkehr zu kommen und wurde auch noch vom Beifahrersitz von einem Vollhonk dauernd blöde zugetextet. Dabei hatte das System. Nach der bestandenen Prüfung steckte mir mein Fahrlehrer, dass er mich mit voller Absicht gestresst hatte. Damit ich auch später unter Druck cool bleiben würde. Schönen Dank auch!

Ich kann nicht sagen, dass es geholfen hat. Auch über zwanzig Jahre später finde ich Autofahren in der Stadt total anstrengend. Vor allem der ständige Stau auf der Berliner Stadtautobahn ist die Hölle für mich Nervenbündel, so dass ich lieber kilometerlange Umwege in Kauf nehme, anstatt mich dort von irgendwelchen Speedfreaks am Rande des Nervenzusammenbruchs anhupen zu lassen.

Ein Chauffeur wäre die beste Lösung. Sich wie in einem dieser Wall-Street-Filme mit einem dampfenden Flat White in der Hand rumkutschieren zu lassen und dabei über das Leben zu philosophieren. Und wenn man keine Lust mehr hat, sich mit dem Personal zu unterhalten, fährt man einfach die Trennscheibe hoch. Das Zweitbeste wäre, wenn das Auto das Fahren einfach selbst übernehmen könnte. Dieser Traum, der meiner Generation von der TV-Serie Knight Rider vorgelebt wurde, könnte bald Wirklichkeit werden. Zumindest dann, wenn man sich eine neue Mercedes S-Klasse leisten kann. Der als revolutionär angepriesene Drive Pilot ist das erste System, das die dritte von insgesamt fünf Stufen in Sachen Autopilot erreicht. Stufe drei bedeutet: die Fahrerin darf zum Beispiel Zeitung lesen oder sich die Lippen nachziehen, muss aber immer bereit sein, notfalls selbst zu lenken. Stufe fünf würde bedeuten, dass ein Auto kein Lenkrad mehr benötigt, weil es alle Entscheidungen alleine trifft. Getestet wurde die neue Technik von Mercedes übrigens auf der Berliner Stadtautobahn – wo sonst? Denn im Dauerstau funktioniert der Drive Pilot am besten.

Ich kann nur hoffen, dass solche Autopilotensysteme sich rasant entwickeln und bald schon für Normalsterbliche und ihre Blechschleudern erschwinglich sind. Im stressigen Stadtverkehr einfach loszulassen wäre eine gigantische Erholung, von der alle profitieren würden. Endlich keine Sklavin der Kupplung mehr sein! Vor allem, wenn alle anderen um einen herum auch ganz entspannt ihr Horoskop lesen oder auf dem Armaturenbrett eine Runde Solitaire spielen. Dann könnten sie Radfahrer einfach Radfahrer sein lassen und Fußgänger Fußgänger. Den Rest machen die Autos untereinander aus. Nur am Unterhaltungsfaktor müsste Mercedes dann noch etwas arbeiten. Denn die trockenen Sprüche von K.I.T.T., dem superschlauen Auto von David Hasselhoff in Knight Rider, waren mindestens genauso wichtig, wie sein Fahrtalent.

Intersection #44
Text: Diana Weis
Foto: Mercedes-Benz 

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