Du hast gerade deine neueste Kollektion bei der Mailänder Fashion Week präsentiert, die erste Show mit physischem Publikum. Wie hat sich das angefühlt?
Das war komplett anders als beim Auflegen. Ich bin es eigentlich gewohnt, vor 10.000 oder 15.000 Leuten aufzulegen, das ist für mich gar kein Problem. Ich bin hinter meinem DJ-Pult und bin die ganze Zeit beschäftigt. Im Backstage von der Fashionshow habe ich natürlich auch was zu tun, aber wenn es dann heißt, rauszugehen, bin ich viel schüchterner. Man bedankt sich eigentlich nur kurz, dass die Leute da waren, aber es ist eine ganz, ganz andere Geschichte. Ich habe das auch ein bisschen unterschätzt und gedacht, wenn ich vor 10.000 Leute auflege, sind 750 Leute nichts für mich.
Das war ja auch der Wahnsinn. Viele Leute standen ja teilweise noch hinter der Absperrung.
Es war wirklich wahnsinnig. Ich habe irgendwann meinen Kopf rausgestreckt, um zu gucken, was passiert und konnte nicht glauben, wie viel los war. So krass.
Warst du nervöser als vor einem DJ-Gig?
Hundertprozentig. Ich weiß nicht, ob sich das legt und vielleicht ist es nur Routine. Andere Designer, die schon ihre 100. Show hinter sich haben, sind vielleicht weniger aufgeregt.
Wobei, wer weiß, es gibt ja Leute, die sind immer noch genauso nervös wie bei der ersten.
Nervös sein ist auch was Schönes, das erdet einen. Da fühlt man sich wieder verletzlich
Die Kollektion vereint Punk, Subkultur und natürlich die Clubkultur. Was war dir persönlich wichtig? Welche Einflüsse gab es für dich? Ist das auch ein Versuch, Berlin in der internationalen Modeszene zu verankern?
Berlin ist schon lange eine Referenz. Und für mich ist es einfach my way. Ich bin hier geboren. Ich lebe mein ganzes Leben lang hier und bin in der Clubkultur aufgewachsen. Ich bin spätestens mit 18 das erste Mal in den Club, deswegen bin ich in der Szene eigentlich ein alter Hase. Und für mich ist Authentizität das Wichtigste. Wir treffen uns hier gerade auch in Neukölln, ich lebe mein ganzes Leben lang hier und die 44 ist die alte Postleitzahl von Neukölln. Ich denke, das merken die Leute auch. Und wenn sie es noch nicht gemerkt haben, werden sie es demnächst merken.
Du hast angefangen, Mode zu machen, indem du T-Shirts für deine Freunde produziert und sie dann verschenkt hast.
Ja, das stimmt. Ganz am Anfang, 2015/16, habe ich mal 20 T-Shirts gemacht nur für meine Freunde. Und dann irgendwann, als die Anfrage größer wurde, habe ich das auf meine Internetseite gestellt. Das wurde dann superschnell angenommen und wir haben auch viel verkauft. Dann habe ich jedes Jahr einen Drop gemacht und immer weiter probiert, die Stückzahlen zu erhöhen, weil der Bedarf einfach da war. Das haben wir übrigens alles in der Wohnung von meiner Mama, hier oben, vertrieben. Und das war dann einfach nicht mehr zu stemmen. Meine Freunde haben, glaube ich, 16, 17 Stunden gepackt. Da war dann auch klar, dass wir ohne professionellen Background so nicht mehr weitermachen können.
Wo willst du mit dem Label hin? In die High-Fashion-Richtung oder eher in der Street- und Clubwear?
Als High Fashion würde ich das Label nicht bezeichnen, eher als Elevated Clubwear, mit Streetwear-Einflüssen. Für mich ist das Wichtigste, dass es nachhaltig und gut produziert ist. Und wenn man wirklich mit professionellen Leuten wie mit Claudio Antonioli oder Marc Göhring zusammenarbeitet, dann funktioniert es anders auch gar nicht mehr.
Gibt es einen Bereich, in dem du dich aus einer kreativen Perspektive mehr Zuhause fühlst?
Ich habe mich schon sehr früh für die Mode interessiert. Meine ersten Gagen habe ich schon in Mode investiert und wurde dafür von meiner damaligen Umgebung auch ein bisschen belächelt, im Sinne von: Wie kannst du dir so teure Sachen holen? Aber hier aufzuwachsen hat mich auch geprägt. Uns war es schon immer wichtig, einzigartige Klamotten zu haben und deswegen ist es für mich in meiner DNA verwurzelt. Aber auf diesem Level ist das natürlich was komplett Neues und ich hoffe auf alle Fälle und bin mir sicher, dass ich da auch ein Zuhause finden werde. Und bin sehr happy darüber, dass ich meine Kreativität 50:50 zwischen der Musik und der Mode teilen kann.
Können wir bald auch Shows in Berlin erwarten?
Ich sage nicht nein, denn wir sind gerade dabei, so eine Sache zu diskutieren. Ob Mailand oder Berlin, lasse ich noch offen.
Kannst du dir vorstellen, irgendwann mal aus Berlin wegzugehen? Oder bleibt Berlin immer deine Base?
Berlin bleibt immer in meinem Herzen. Hundertprozentig. Aber tatsächlich ziehe ich jetzt nächsten Monat nach Mailand. Ich habe gerade eben erst den Vertrag für meine Wohnung bekommen.
„Nervös sein ist auch was Schönes, das erdet einen. Da fühlt man sich wieder verletzlich.“