Der Tatra 613 brachte italienisches Design für die sozialistische Partei-Elite
FORGOTTEN CLASSIC: Tatra 613
Vergleicht man Tatra mit den restlichen Fahrzeugherstellern hinter dem Eisernen Vorhang, dann könnte man sie als wahre Glückspilze bezeichnen. Denn bereits in den späten sechziger Jahren begannen sich die Staaten des Warschauer Pakts aus der Konkurrenz um die technische Vorherrschaft im Individualverkehr zu verabschieden. Die nach dem Krieg zunächst vielversprechend gestartete Automobilproduktion begann zu veralten, die Produktionszahlen mangels Ressourcen zu stagnieren, während viele neue Ideen in der Schublade des real existierenden Pragmatismus verschwinden.
Das sollte bei Tatra zunächst nicht anders sein. Weil die Tatra Oberklassenlimousine Typ 603 in puncto Design und Technik bereits kurz nach Produktionsbeginn veraltet war, fürchteten die politischen Führungskader um ihr Statussymbol. Um die enormen Kosten für eine Neuentwicklung der Limousine zu rechtfertigen, sollte der Nachfolger 613 auch Chancen auf dem internationalen Markt haben. So wurden 1967 mit Michelotti, Vignale und Bertone große italienische Karosserieschneider kontaktiert. Ein einzigartiger Vorgang für eine Marke aus dem Ostblock. Schließlich bekommt die Carrozzeria Vignale den Auftrag die monströsen Dimensionen mit über fünf Metern Länge in ein elegantes Blechkleid zu zwängen. Am Ende vermittelt der 613 sogar eine gewisse Sportlichkeit und liefert entsprechende Leistungswerte: Die 165 PS ermöglichen einen Vortrieb auf Mercedes-Niveau. Neben der Standard-Version gibt es etliche Varianten, von der verlängerten Präsidenten-Limo, über Parade-Cabriolets bis hin zum Krankenwagen. Es entstehen auch Prototypen eines Coupé-Entwurfs, der aber leider nie in Serie gehen sollte. Die sachlich-moderne Karosserie des Serien-Viertürers gerät mit ihren großen, glatten Flächen zeitgemäß-elegant. Der Innenraum ist übersichtlich bis komfortabel und erinnert an die großen Fiat-Limousinen der 70er- Jahre. Die erste Serie wird ab 1973 angeboten und bleibt bis 1980 in Produktion. Danach folgen vier Überarbeitungen, die dem jeweiligen Zeitgeist mehr oder weniger Tribut zollen. Nach dem Zusammenbruch des Sozialismus gelingt das jedoch immer weniger, die Verkaufszahlen stürzen ab.
Ein letztes Aufbäumen mit dem runderneuerten T 700 kann das Ende nicht verhindern. Weil das Geld für eine Neuentwicklung fehlt, stellt man bei Tatra nach knapp 11.000 produzierten Typ 613 die PKW-Fertigung ein und konzentriert sich auf Lastwagen, Rüstung und Straßenbahnen. Denn das geht anscheinend immer.
Text Philipp Stadler
Bild Tatra