Seit über zehn Jahren prägt Gorden Wagener die Markenwahrnehmung von Mercedes-Benz. Im neuen Mercedes-Benz International Design Competence Center Europe in der Nähe von Nizza haben wir mit ihm über sein Verständnis als Designer und die Zukunft des Luxus gesprochen.
Gorden Wagener: Der Luxus-Visionär
„No pain, no gain.“
Der Luxusbegriff verändert sich. Was kann man als Automobilhersteller von den großen Luxusmarken aus anderen Bereichen lernen?
Es bietet sich natürlich an, zu sehen, wie zum Beispiel Modemarken agieren. Das ist sehr interessant. Sie alle haben einen sehr signifikanten Stil, den sie auch brechen. Das ist durchaus vergleichbar mit dem, was wir machen, schließlich sehe ich Mercedes-Benz auch weniger als Autohersteller, sondern mehr als Luxusmarke.
Ihre Aufgaben als Chefdesigner gehen auch sehr in die strategische Markenarbeit. Das ist nicht bei allen Herstellern so.
Absolut, das war aber von Anfang an meine Aufgabe. Als ich den Job 2008 mit 39 Jahren als jüngster Chefdesigner übernommen hatte, haben wir Designstrategien entwickelt und sofort festgestellt, dass man dazu auch eine Markenstrategie braucht. Zu der Zeit wusste keiner so richtig, wofür Mercedes-Benz überhaupt steht. Die einfache Antwort war: Wir sind eine Luxusmarke. Wir kamen vom tradierten Luxus, wir waren die Marke der Väter und haben sie für die nächste Generation interpretiert, mit einem modernen Luxusbegriff. Seither arbeiten wir strategisch und holistisch für alle Bereiche. Seit drei Jahren bin ich dann als Chief Design Officer auf Vorstandslevel für alle Gestaltungsthemen im Konzern verantwortlich, von der Werbung bis zu Online oder sogar dem Messestand. Dabei arbeiten wir natürlich eng mit den Marketingkollegen zusammen.
Sie sind schon seit 1997 bei Daimler. Wie hat sich der Arbeitsalltag eines Designers seitdem verändert.
Auf den ersten Blick gar nicht so sehr. Ich saß vor 20 Jahren auch da und habe gezeichnet. Heute findet das natürlich mehr auf Computern und weniger auf Papier statt. Als ich angefangen habe, hat man einen Tag lang an einem großen Artwork gearbeitet. Solche Kunstwerke waren einer der Gründe, warum ich Designer geworden bin. Heute geschieht das am Computer und wir schauen uns das mit dem Team auf digitalen Wänden an. Die Designer müssen heute auch mehr und mehr auf 3-D-Software ihre Modelle bauen und lernen, mit Visualisierungsprogrammen zu präsentieren. Das ist alles schon futuristischer geworden.
Die Design-Teams sind heute sehr international. Wie bringt man die unterschiedlichen Erfahrungen zusammen.
Natürlich muss man die Menschen inspirieren. Das fängt schon mit der Aufgabe an, die man stellt. Die kann auch mal ein visionäres Showcar für die Limousine der Zukunft sein, oder ein 6-Meter-Maybach-Zweisitzer. Bei solchen Moonshot-Projekten kommt immer auch Input für ganz alltägliche Fragestellungen heraus. Aber selbstverständlich ist das alles auch sehr emotional, gerade wenn man Kritik übt. In solchen Momenten geht es ja nicht nur um eine Autozeichnung, sondern auch um den Menschen, der seinen innersten Traum zeigt. Deswegen leiden Designer ja auch immer. No pain, no gain.
„Autodesign ist die höchste Kunst im Design, weil es am komplexesten ist. Wenn man ein Auto designen kann, kann man im Prinzip auch alles andere designen.“
Was sind die Wow-Momente bei Ihrer Arbeit?
Wenn zum Beispiel so ein Maybach 6 als fertiges Exterior-Modell vor einem steht. Da gibt es schon viele Freudenmomente. Aber bis man so weit ist, muss man auch viel ertragen. So ein Auto in Griff zu kriegen, bedeutet auch sehr viel von sich selbst mit reingeben. In jedes Detail.
Wenn Sie kein Auto-Designer geworden wären, welche Karriere hätten Sie eingeschlagen?
Profi-Windsurfer. Ich habe das mit 18 überlegt, weil ich wirklich sehr gut windsurfen konnte. Architektur finde ich auch sehr interessant. Aber das Gute ist ja, dass ich nicht nur Autodesigner bin. Wir machen ja jede Art von Gestaltung, Innenräume für Showrooms, User Interaction Design, sogar Mode, Apartments, Yachten. Ich gestalte ja jetzt schon alles, was ich jemals gestalten wollte. Insofern bleiben nicht mehr so viele Wünsche offen. Aber das sind auch alles Initiativen, die wir die letzten Jahre angestoßen haben. Ich habe von Anfang an gesagt: Wenn wir die führende Luxusmarke sein wollen, dann müssen wir holistisch arbeiten und jeden Toch-Point mit den gleichen Gestaltungsrichtlinien inszenieren, die wir für Autos anwenden. Autodesign ist die höchste Kunst im Design, weil es am komplexesten ist. Wenn man ein Auto designen kann, kann man im Prinzip auch alles andere designen.
Man sieht sie auch oft mit Kollegen von anderen Marken über die Messen gehen. Was bespricht man da unter Designern?
Meistens lästert man dann über die Sachen, die man sieht (lacht). Zusammen macht das Lästern viel mehr Spaß. Es ist ja auch eine kleine Familie, in der sich alle kennen. Mit manchen bin ich auch befreundet und da redet man dann auch viel privat.