Melkus: Eine Familie, die zu oft zu schnell war

Die Biografie des Sportwagenherstellers Melkus liest sich wie die vieler kleiner Manufakturen: Ambitionierte Träume, Leidenschaft, Erfolg, finanzieller Niedergang. Väter, Söhne, Enkel: alle Rennfahrer. Doch Melkus sitzt nicht in Norditalien oder Schwaben, sondern in Sachsen.

Zum Parteiliebling wurde man als Sportwagenbauer in der antikapitalistischen DDR nicht. Kostete ein Trabant um die 9.000 Mark und ein Wartburg 18.000 Mark, so waren für den einzigen Sportwagen der DDR, den Melkus RS 1000, über 27.000 Mark fällig. Ein Wagen für Ärzte, Piloten, den ostdeutschen Mittelstand. Handgefertigt aus den Teilen, die die DDR-Automobilbranche hergab. Der Zweitakter aus dem Wartburg, der Kühlergrill vom Trabant, die Rücklichter von einem Anhänger – der Ost-Porsche RS 1000 war ein Improvisationsmeisterwerk.

Doch eigentlich wollte Heinz Melkus, jüngster Fahrlehrer der DDR und leidenschaftlicher Rennfahrer, mit dem Wagen vor allem den spärlichen Rennsport in der DDR aktivieren und so wurden die 101 Fahrzeuge, die von 1969 bis 1980 entstanden zuerst nur an Fahrer mit einer Rennlizenz vergeben. Die mehrmonatige Wartezeit war in einem Land, in dem sich die Menschen fast ein Jahrzehnt auf ein Auto gedulden mussten, rekordverdächtig und suspekt zugleich.
Das Aus kam mit dem schleichenden Niedergang der DDR-Wirtschaft. Teile waren immer schwerer zu bekommen. 1980 wurde die Produktion eingestellt. 1990 ist ein Schicksalsjahr. Nach dem Fall der Mauer herrscht zuerst Aufbruchstimmung. Aus der kleinen Werkstatt, die Plasteteile für den DDRFahrzeugbau produziert, und der Fahrschule, wird der erste BMW-Händler der
neuen Bundesländer. Die Zukunft sieht rosig aus. Doch 1990 ist auch das Jahr, in dem Heinz Melkus einen seiner beiden Söhne verliert. Ulli ist einer der bekanntesten Rennfahrer der DDR. Er stirbt auf dem Heimweg vom Nürburgring bei einem Autounfall.

Die Geschäfte mit Autos in den Jahren nach der Wende laufen zuerst gut. Das Autohaus expandiert, Heinz’ Sohn Peter wendet sich verstärkt dem Motorsport zu und gründet 1994 ein Rennsportteam. 2006, ein Jahr nach dem Tod des Vaters, trennt sich die Familie dann von dem Autohaus. Der Boom in den neuen Bundesländern ist längst vorbei. Bei Peter Melkus und seinem Sohn Sepp wächst die Idee, es noch einmal mit dem Sportwagenbau zu versuchen und den Melkus RS 1000 neu aufzulegen. Teile gibt es plötzlich überall. „Aus allen möglich Kellern sind Ersatzteile aufgetaucht, die zu DDR-Zeiten gesammelt wurden. Das größere Problem waren die Zeichnungen. Damals wurden die Autos wirklich noch mit Handskizzen gebaut und wir mussten das ganze Auto nachkonstruieren”, sagt Peter Melkus heute. Der erste Wagen geht an einen Mann aus den alten Bundesländern.

Die Leute mussten also fast wie in der DDR ein paar Jahre warten

Innerhalb von drei Monaten liegen fünfzig Bestellungen vor. Zuerst sind sie nur zu dritt in der Werkstatt, erst langsam werden die Kapazitäten aufgestockt. „Die Leute mussten also fast wie in der DDR ein paar Jahre warten“, Peter Melkus grinst, wenn er das sagt.

Peter Melkus

Der Erfolg beflügelt, die Familie will die eigene Geschichte fortschreiben und in Dresden wächst die Idee, auf Lotus-Basis einen modernen Nachfolger mit über 270 PS zu bauen, den Melkus RS 2000. Natürlich wieder mit Flügeltüren. 2009 wird der Wagen auf der IAA in Frankfurt vorgestellt. 115.000 € kosten die ersten Modelle. Doch die Kapitaldecke ist trotz Investoren zu dünn. Die Produktion wird immer teurer. Es kommt die Wirtschaftskrise. Kein guter Zeitpunkt für Sportwagen aus Sachsen. 18 Fahrzeuge entstehen bis 2012, dann meldet die Melkus Sportwagen GmbH Insolvenz an.

Heute werden wieder zwei bis drei RS 1000 im Jahr gebaut, hauptsächlich Rennversionen. Peter Melkus schließt den Kreis der Familiengeschichte: „Dieses Jahr gibt es einen ersten kleinen Cup mit sechs Fahrzeugen, die teilnehmen, für nächstes Jahr haben wir fünf weitere Zusagen und dann sind wieder 10-12 Fahrzeuge auf der Strecke, so wie sich unser Vater das einmal vorgestellt hat.” Das Rennen geht weiter.

 

Der Beitrag erschien in Intersection 2015/4

Text: Alexander Batke-Lachmann

Fotos: Heiko Richard

Verwandte Artikel