Selbstfahrende Autos, Industrieroboter, digitale Anwälte: In der Welt von Morgen werden intelligente Menschen allgegenwärtig sein. Doch was bedeutet das für uns? Ein Überblick
Mensch vs. Roboter
Machen Maschinen den Menschen überflüssig? Nicht nur verrückte Verschwörungstheoretiker warnen davor. Auch der Physiknobelpreisträger Stephen Hawking oder der Superunternehmer Elon Musk aus dem Silicon Valley. Genau dem Ort also, an dem man mit Hochdruck an eben jener Entwicklung arbeitet, die in nicht allzu ferner Zukunft dafür sorgen könnte, dass der Mensch in der Arbeitswelt immer weniger gebraucht wird. Eine Entwicklung, die wahrscheinlich nicht aufzuhalten ist, denn computergesteuerte Maschinen funktionieren in immer mehr Bereichen des Alltags und des Arbeitsmarktes schneller, effektiver und kostengünstiger als Humanoide. Parallel steigt die Rechenleistung potenziell. 2029 gilt für den von Google angestellten Zukunftstheoretiker Ray Kurzweil als das Jahr, in dem die künstliche Intelligenz die menschliche erreichen und bald überflügeln wird. Computer werden in der Lage sein Witze zu machen und zu flirten. Wenn wir Glück haben, finden sie dann noch einen Nutzen für uns.
Im Gegensatz zu den alten Maschinen, denen also, die ab der industriellen Revolution erst für die Vernichtung von Arbeitsplätzen und dann für einen weltweiten Wirtschaftsboom gesorgt haben, ist die neue Maschinengeneration in der Lage zu lernen. Das macht sie so effektiv. Autoren wie der Softwareingenieur Martin Ford und der New York Times-Journalist John Markoff warnen aufgrund dieser Entwicklung in aktuellen Büchern davor, dass die digitale Revolution – ganz anders als die industrielle – keinen neuen Wirtschaftsboom entfachen wird. Denn die neuen Produktionsmethoden, die neuen Produkte und Services, die die neuen Technologien ermöglichen, benötigen immer seltener den Menschen, um zu funktionieren. Die Maschine schafft dann höchstens noch Arbeitsplätze für Maschinen.
Das sogenannte Machine Learning ist bei dieser Entwicklung entscheidend, denn bislang hatten Maschinen eine klar definierte Aufgabe, die sie erledigten, wenn wir das wollten. Ein Traktor, ein Rasenmäher oder eine Registrierkasse arbeiten auf Knopfdruck. Das ändert sich nun. Durch die steigende Rechenleistung von Computern sind Maschinen in der Lage, immer komplexere Tätigkeiten zu übernehmen. Sie sind always on, miteinander vernetzt, in der Lage, sich selber zu korrigieren und selbstständig zu arbeiten – in den meisten Fällen für das Wohl des Menschen, aber eben auch immer un- abhängiger von ihm. In naher Zukunft wird niemand mehr die Lebensmittel im Supermarkt per Hand einscannen müssen, ein Konzern wie McDonald’s könnte hunderttausende Arbeitsplätze einsparen, wenn er statt Menschen die Burgerbratmaschine des Start-ups Momentum Machines einsetzen würde. Auch Journalisten werden schon heute durch Algorithmen ersetzt, die automatisch und auf Basis von relevanten Daten einfache Finanz- und Sportnachrichten erstellen. Selbst Anwälte könnten entscheidende Teile ihres Jobs den Maschinen überlassen, denn die Argumentation in einem Prozess basiert meistens auf nicht mehr als der Auswertung von Daten und den Schlüssen, die man daraus zieht. Moderne Computer programmieren Symphonien. Und im Bereich der vermeintlich so menschelnden Kunst und Kultur könnte es im Endeffekt schon bald vor allem um die Frage gehen, ob wir Maschinenkunst akzeptieren oder darauf bestehen, dass sie vom Menschen gemacht sein soll. Ein Beispiel dafür, wie erfolgreich die Datenauswertung heute schon funktioniert, ist der Videostreamingsdienst Netflix. Welche Serien das Milliarden-Unternehmen aus Kalifornien produzieren lässt, basiert nicht allein auf dem genialen Gespür von Drehbuchautoren, Regisseuren oder Produzenten, sondern vor allem auf der Auswertung von Nutzerdaten.
Eine mögliche Folge dieser Entwicklung ist, dass die Industrienationen nicht nur in eine ökonomische Krise (weniger Jobs für Menschen bedeuten weniger Steuereinnahmen, weniger Kaufkraft und eine immer stärker steigende Arbeitslosigkeit) gestürzt werden könnten, sondern auch in eine grundsätzliche Sinnkrise. Denn welche Aufgabe hat der Mensch, wenn er für über Jahrhunderte erlernte Kulturtechniken nicht mehr gebraucht wird? Ist für einen Großteil der Bevölkerung ein Leben ohne Arbeit denkbar?
Es gibt Stimmen wie den Ex-Wired-Chefredakteur und Start-up-Unternehmer Chris Anderson, der in seinem 2013 erschienenen Buch Makers. Das Internet der Dinge: die nächste industrielle Revolution von den Möglichkeiten schwärmt, die das 3-D-Druckverfahren und andere neue Produktionsmethoden eröffnen. Diese könnten eine Renaissance des manufacturing einläuten, spekuliert Anderson. Kleine Unternehmen wären mit relativ wenig finanziellen Mitteln in der Lage, Produkte herzustellen, über das Internet zu vermarkten und zu verkaufen. Ob dies allerdings zu einem neuen Wirtschaftsboom ähnlich dem der Industrialisierung führen wird, wäre wünschenswert, bleibt aber ungewiss.
Ein Beispiel, das die neuen Maschinen besonders deutlich illustriert, ist das selbstfahrende Auto. Innerhalb der Autoindustrie ist nicht mehr die Frage, ob es sich durchsetzen wird, sondern nur noch wann. Die Vorteile liegen auf der Hand. Das Unfallrisiko könnte extrem reduziert werden, denn die meisten Fehler im Straßenverkehr gehen auf menschliches Versagen zurück und nicht auf technisches. Staus können der Vergangenheit angehören, wenn es in Städten ausgeklügelte Verkehrssysteme gibt, die die selbstfahrenden Autos leiten. Uber ist nicht allein 51 Milliarden wert, weil es eine Alternative zum Taxi bietet. Stellt man sich vor, dass die Flotte in ferner Zukunft nur aus den selbstfahrenden Autos von Google besteht, die über Google Ventures an dem Mobilitätskonzern beteiligt sind, dann geht das Geld für die Fahrt komplett an Uber. Die Fahrer wären überflüssig, der Gewinn umso größer.
Es wäre nun falsch über diese Entwicklung zu lamentieren, denn lassen wir mal die paranoide Prophezeiung von Stephen Hawking, der befürchtet, dass die künstliche Intelligenz der Menschheit ein Ende setzen könnte, außen vor, dann schaffen die neuen Maschinen dem Menschen eine Menge Freiheiten. Vom Marxismus bis zum Situationsmus mit der Forderung „Ne travaillez jamais!“ (Arbeite niemals!), könnten sie sogar dafür sorgen, dass die großen Utopien der Moderne in Erfüllung gehen. Und vielleicht hat Chris Anderson ja doch recht und es kommt durch die neuen Technologien zu einer Explosion von Kreativität und einer beispiellosen wirtschaftlichen Dynamik. Genug Zeit zum Nachdenken werden wir haben, wenn wir uns in selbstfahrenden Autos durch die Gegend kutschieren lassen.
Text: Daniel Seetal
Foto: NASA
Dieser Beitrag ist erschienen in der INTERSECTION Nr. 25.