Der Techno der Berliner Band Moderat klingt digital, elegant und verfeinert. Ihre Autos sollen dagegen nach Benzin riechen, aus Stahl sein und die Straße dominieren. Ein Gespräch über mangelnde Struktur, Leidenschaft und das Leben danach
Moderat: Zurück zum Benzin
Apparat + Modeselektor = Moderat. Das Berliner Techno-Trio Moderat bestehend aus den DJ-Duo Gernot Bronsert und Sebastian Szary (Modeselektor) und Sascha Ring aka Apparat stehen bei ihren Automobilen eher auf Klassiker. Wir haben sie gemeinsam mit Freunden von Freunden getroffen.
Im April erscheint euer neues Album „III“. Erzählt mir doch vom Entstehungsprozess.
Sascha: Nach unserer letzten Platte waren wir ziemlich gut im Flow und haben kurz nach der Tour wieder angefangen, neue Musik zu machen. Das war uns auch wichtig. Nach der ersten Moderat-Platte 2009 haben wir uns erst mal um eigene Projekte gekümmert und mussten uns völlig neu orientieren.
Szary: Wir waren diesmal sozusagen im „Modus“.
Ich finde, das Album klingt kompakter, eindeutiger. Als wüsstet ihr noch besser, was ihr eigentlich wollt.
Gernot: Mir gefällt die Platte auch besser. Sie hat ein anderes Selbstbewusstsein. Wir haben uns mehr getraut. Dennoch war die Produktion wie immer ein schmerzhafter Prozess. Muss das bei uns eigentlich immer so masochistisch sein?
Szary: Ja.
Gernot: Die Beatsteaks haben ihren Proberaum direkt unter unserem Studio und bei denen klingt das so einfach.
Sascha: Deren Musik ist aber auch eine andere. Wenn die sagen, die nehmen ein Album auf, dann sind die Songs in der Regel schon fertig. Bei uns ist ein anderer Leidensdruck dahinter.
Gernot: Aber wär das nicht geiler? Jede Woche proben, ab ins Studio und fertig?
Auf euren sozialen Medien gab es Fotos von Streichern und Europaletten, auf denen getrommelt wurde. Hat sich eure Arbeitsweise weiterentwickelt?
Gernot: Die sind alle wieder rausgeflogen.
Sascha: Am Ende haben wir die Streicher nur fürs Facebook-Foto eingeladen (lacht).
Gernot: Wir haben wirklich viel probiert. Streicher, Bläser, Schlagzeuger – haben wir am Ende alles nicht benutzt. Das war wie immer „Trial and Error“. So lange probieren, bis es gut ist. „III“ ist keine Platte, die wir in einer Eishöhle mit Steve Albini auf LSD aufgenommen haben.
Sascha: Wir haben aber auch weniger gejammt als beim letzten Album. Es war alles ein bisschen organisierter. Deshalb hat das Album wohl auch klassischere Strukturen.
Welche Rolle spielen Routinen nach all der Zeit?
Gernot: Ich wünschte mir manchmal, wir wären routinierter.
Sascha: Das wäre wirklich schön. Oft fummeln wir ewig wie die Stümper an einer Passage herum. Das fängt beim Schöpferischen an und hört beim Technischen auf. Das Mixing haben wir auch selbst gemacht. Es ist aber nicht so, dass irgendwer von uns das mal professionell gelernt hätte und weiß: Jetzt muss der Multiband-Kompressor rein.
Gernot: Da spielt unseres geringes Kurzzeitgedächtnis eine wesentliche Rolle. Oft eignen wir uns Sachen an, haben sie nach der Tour aber schon gleich wieder vergessen. Im Studio fängt man dann wieder bei null an.
Sascha: Ich könnte mir für das nächste Mal gut vorstellen, eine Auszeit zu nehmen. Hier in Berlin kann man die ganzen Verpflichtungen, Business und Familienalltag, schlecht ausblenden. Da kann man die Studiotür, die direkt ins Labelbüro führt, noch so oft abschließen.
Sascha, du warst früher Motorrad-Fan, hattest vor einiger Zeit aber einen schweren Unfall.
Sascha: Ja, seitdem fahre ich Auto.
Gernot: Motorradfahren haben wir ihm verboten.
Sascha: Nicht nur ihr, das war mein ganzes Umfeld und ich beuge mich dem. Also brauchte ich eine Ersatzbefriedigung. Ich mag Motoren. Wenn ich mit der Musik durch bin, möchte ich einmal richtig anfangen zu „schauben” und nah an der Natur sein. Da lag es nahe mir ein Cabrio zu holen.
Einen Fiat?
Sascha: Genau, einen Fiat Spider. In meinen Augen das unprätentiöseste Ca- brio, das man sich holen kann. Er ist zwar rot, was vielleicht nicht so gut zu meiner Lebenseinstellung passt …
Gernot: Er passt perfekt. Ist halt ein Frauenauto. Ist schön (lacht).
Sascha: Der hat wirklich einer Bühnenbildnerin gehört.
Gernot: Ach wirklich. Das überrascht mich aber (lacht). Die Kombination passt super. Das Auto ist sehr klein und Sascha ist sehr lang. Ich frag mich jedes Mal, wie du da reinpasst.
Sascha: Autofahren ist natürlich nicht so physisch. Auf dem Motorrad wird man zu einer Einheit mit dem Gefährt. Aber die Empfindung, mit einem offenen Auto zu fahren, kommt dem Motorradgefühl durchaus nahe. Das hat mich überrascht und ist eine gute Ersatzbefriedigung.
Gernot, du fährst einen alten Benz.
Gernot: Genau. Aber noch nicht so lange. Das ist eine Liebe, die unterwegs und urplötzlich über mich hereinbrach. Ich bin mal in Niedersachsen an einem Händler für koreanische Autos vorbeigefahren und da stand eine taubenblaue Mercedes S-Klasse. Ich zurück, mich sofort in das Auto verliebt und mitgenommen.
Sascha: Aber eigentlich wolltest du dir einen Citroën kaufen.
Gernot: Ja. Im Internet habe ich nach einem CX gesucht. Als wir uns den Wagen angeguckt haben, waren wir aber enttäuscht. Auf den Bildern sah der total schnieke aus, war aber am Ende aus drei Autos zusammengebaut. Auf dem Heimweg tauchte dann plötzlich der Mercedes auf. Ein W116, Baujahr 1977.
Sascha: Quasi im Vorbeifahren gekauft. Wie andere ein Brötchen an der Tankstelle.
Gernot: Genau. Ein 280er, nicht in der stärksten Motorisierung und auch in der Buchhalterausstattung. Keine elektrischen Fensterheber, alles muss noch gekurbelt werde. Dafür hat er eine Servolenkung und eine beigefarbene Velours-Ausstattung, beigefarbene Lammfellbezüge. Ein Rentnerfahrzeug. Ich habe sofort darauf einen Wackeldackel geschenkt bekommen. Es ist noch ein richtiges Auto. Es braucht Liebe und Zuneigung.
Szary: Ich besitze zwei alte W460 Geländewagen und habe Gernot letzten Sommer mit meinem alten kurzen Mercedes G-Modell fahren lassen, wobei ich wusste, dass der schwierig zu handlen ist (diverse Bedienmacken). Kurz danach war er auch mit dem „Benzinfieber“ infiziert und begab sich auf die Suche nach einem „youngtimer“. Damals wollte Gernot schon den Citroën fahren. Auf meinem Rat hin, es wäre in unseren Breiten wahrscheinlich besser auf einen alten Daimler zu setzen, hatte sich dann auch recht schnell die Suche Erfolg gehabt. Es gibt zwar eine gute Szene für Citroën und Co, aber Mercedes-Teile sind dann doch zahlreicher zu finden.
Gernot: „Kauf dir einen Mercedes“, meinte er nur.
Sascha: Wobei mein Fiat seltener kaputt war als dein Mercedes.
Gernot: Der war doch erst einmal kaputt. Wie alt ist denn dein Fiat?
Sascha: Von 1969.
Szary: Der ist doch nicht aus den 60ern. Wirklich? Bei alten Autos ist wichtig, dass man die Ersatzteile bekommt. Exoten sind immer schwierig.
Gernot: Man bekommt wirklich noch alles. Ich hab Glühbirnen und Zündker- zen ausgetauscht, was bei neuen Modellen gar nicht mehr geht. Man kommt sogar an den Sicherungskasten dran. Es gibt Platz. Ich bin absoluter Fan von alten Autos.
Hat sich eure Sicht auf Autos im Laufe der Zeit geändert?
Sascha: Absolut. Ich habe ein Auto, weil ich etwas zum Liebhaben will. Zur reinen Fortbewegung würde ich andere Mittel bevorzugen. Wie zum Beispiel Carsharing.
"ICH BIN SCHON EIN KLEINES WARTUNGSSCHWEIN.
MICH REIZT ES, DIESE ALTE TECHNIK, TEILS NOCH VON VOR DEM KRIEG, ZU VERSTEHEN"
Szary, du hast offenbar einen richtigen Fuhrpark. Was ist da alles zu finden?
Szary: In der Intersection wurden schon viele meiner Autos gezeigt. Den alten Saab 900 fahre ich immer noch. Dann gab es mal einen roten 230G von Mercedes in dem Magazin. Diesmal möchte ich meinen grünen vorstellen. Den umgePuchten G. Eine Langversion aus dem Jahr 1979. Läuft mit Benzin und Autogas. Auf Kopfsteinpflaster ist er sehr laut. Aber sonst läuft alles einwandfrei. Ich bastel einfach sehr gerne an Autos herum. Hab sogar auch schon mal einen Vergaser gewechselt. Das ist wirklich geil.
Es klingt ein bisschen nach Klischee sich in gesetzterem Alter eine Garage mit alten Autos anzuschaffen.
Szary: Ich finde dabei einfach meine Ruhe.
Gernot: Ich habe meinen Führerschein erst mit 30 gemacht. Ich habe immer in der Stadt gewohnt und nie die Ambition gehabt, ein Auto zu besitzen. Aber als der Nachwuchs kam, hatte ich keine Lust mit dem Kinderwagen in der Straßenbahn zu stehen. Irgendwann bin ich aus dem Auto gar nicht mehr ausgestiegen.
Szary: Seitdem Gernot einen Führerschein hat und ich ihn anrufe, hängt er immer im Auto rum und telefoniert über Freisprechanlage.
Sascha: Vielleicht sitzt er auch nur vorm Haus im Auto, um seine Ruhe zu haben.
Gernot: Ich hatte erst mal ganz normale Familienkutschen, war aber immer auch ein bisschen neidisch auf Szarys Autos. Er hat eine alte Scheune in der Prignitz. Dort stehen alte Jeeps und ich fand es geil, dass man bei den Autos so viel machen muss. Dreimal kuppeln, bevor man den Gang wechseln kann. Tricksen, um überhaupt das Auto zum Starten zu bringen. Jetzt ist es eben der W116.
Szary, woher kommt dein Schrauberfaible?
Szary: Ich bin schon ein kleines Wartungsschwein. Mich reizt es, diese alte Technik, teils noch von vor dem Krieg, zu verstehen. Ich kenn einen guten Schrauber und der erklärt mir immer gerne, was und wie er repariert. Wie man Bremsen wechselt und so was. Allerdings mach ich das einmal und hab es danach schon wieder vergessen. Um so was richtig zu machen, braucht man eine Halle mit Hebebühne. Dann kannst du aber deine anderen Jobs alle an den Nagel hängen.
Reizen euch neue, moderne Autos gar nicht?
Sascha: Ich war früher immer so ein vorwärtsgewandter Mensch, aber mittlerweile mag ich immer mehr alte Dinge. Alte Möbel, alte Autos. Besonders die 60er und ihr tolles Design haben es mir angetan. Ob Stühle von Eames oder Autos von Pininfarina. Es hört sich abgedroschen an, aber diese Dinge haben eine Seele.
Gernot: Wir sind im Alltag immer mehr von modernen Technologien umgeben. Gerade in der Musik. Sei es im Studio oder auch live. Da sind wir gezwungen, immer zu wissen, was gerade neu ist. Es ist eine Erholung, mal ein bisschen Benzin zu riechen. Das ist wirklich so.
Szary: Wir haben auch unsere Alltag-Autos. Die sind neuer. Die müssen auch zur Durchsicht und wenn ich zu meinem Schrauber fahre, meint der nur: „Die- se neuen Autos – das sind alles solche Rostlauben.“ Erst mal sieht man nichts, aber wenn man genauer unter die Abdeckungen guckt, dann merkt man: Das soll alles auch nicht mehr so lange halten. Die Autos werden so gebaut, dass sie schnell kaputt gehen. Eine Katastrophe, diese Wegwerfgesellschaft. Dabei sind neue Autos auch noch richtig teuer.
Gernot: Ein 40 Jahre alter Mercedes ist für die Ewigkeit gebaut. Da sind die Teile massiv.
Ihr seid schon richtige Nerds?
Gernot: Die Zeit dafür haben wir ja nicht. Da wir aber viel Zeit im Auto ver- bringen …
Szary: … nerden wir eben im Auto über Autos ab.
Sascha: Ich stehe schon auf das volle Programm. Als Teenager habe ich an meinen Mopeds rumgeschraubt und seit 20 Jahren nehme ich mir vor, das auch mit Autos zu machen. Vielleicht kommt bald der Zeitpunkt, an dem ich Zeit dafür habe. Wenn ich mit diesen ganzen Platten fertig bin.
Szary: Du hast dir doch auch ein Auto gesucht, das zu dir passt. Erst sollte es ja ein Porsche werden …
Sascha: Ich mag den Porsche 911 aus den 60ern. Hatte aber Hemmungen, mit so einem Auto zu fahren. Es ist halt ein Porsche. Der Fiat ist da einfach unprätentiöser. Der war damals schon relativ billig und ist es heute immer noch. Irgendwann möchte ich vielleicht aber doch einen Porsche haben. Einfach weil ich ihn so ästhetisch finde.
Ihr seid in der damaligen DDR aufgewachsen. Was für eine Rolle spielten Autos in eurer Kindheit?
Gernot: Nach der Wende gab es viele Golf 2. Natürlich tiefer gelegt.
Sascha: Davor gab es hauptsächlich Mopeds.
Habt ihr von Ferraris und Lamborghinis geträumt?
Sascha: Keine Chance. Ich fand den Lada Niva super.
Gernot: Ich wollte eine MZ ES haben. Das Eisenschwein.
Sascha: Lada Niva find ich immer noch gut. Die werden tatsächlich noch immer gebaut! Mittlerweile gibt es eine Version mit elektrischen Fensterhebern. Das ist für die Puristen aber schon zu viel. Ich fand den als Kind so toll, den hab ich immer gemalt. Als Alltagsauto ist das aber eher unvernünftig. Szary: Mittlerweile heißt er ja Taiga. Zu Ostzeiten gab es einfach nicht so viele Autos. Die Farben waren Hellblau, Ocker oder Grün. Im Prinzip gab es ja den Trabi, der Wartburg war schon gehobener.
Gernot: Lada sind die Bullen gefahren.
Moskvitch gab es auch.
Szary: Genau. Mehr Öl als Sprit haben die verbraucht.
Gernot: Die waren noch richtig aus Eisen.
Szary: Dennoch gab es, wenn auch sehr selten, Westfahrzeuge. Der alte Mazda 323, Golf 2.
Gernot: Volvo gab es in einer DDR-Edition.
Szary: Der 740er.
Gernot: Dacia gab es auch einige und natürlich Skoda.
Szary: Alles mit Viertakt war eindeutig Luxus. Sprit war verhältnismäßig teuer. Diesel gab es nicht, nur für den Landwirtschaftsbereich.
"ICH MAG MOTOREN. WENN ICH MIT DER MUSIK DURCH BIN MÖCHTE ICH EINMAL RICHTIG ANFANGEN ZU SCHRAUBEN"
Was haben Autos mit Techno zu tun?
Gernot: Sehr viel. Als junge Raver haben wir viel Zeit auf dem Parkplatz vorm Club verbracht. Man hat das gesamte Wochenende im Auto verbracht, wenn wir in der Großstadt gewesen sind.
Sascha: Bei Parkplatzraves waren große Mercedes immer sehr beliebt. Da wusste man gleich, da gibt es Drogen.
Szary: Eigentlich ein „Raver’s Backstage“, oder?
Gernot: Weißt du noch vorm E-Werk damals? Wir hatten so einen kleinen Nissan-Transporter. So eine umgekippte Telefonzelle. Da haben wir ein Sofa hinten reingestellt, eine Yucca-Palme und Party gefeiert.
Szary: Anfang der 90er wurde bei den Rennpappen viel aufgerüstet. Vorne schön Equalizer, hinten eine dicke Bassrolle drin. Das hat das Leben auf dem Land soundmäßig geprägt. Statt den Motor hat man nur ein „Umtz-Umtz-Um- tz“ auf der Landstraße vorbeiziehen gehört.
Gernot: Die Scheiben haben auch immer geklappert. Die Autos sind dadurch irgendwann auseinander gefallen.
Welche Autos stehen noch auf eurer Wunschliste?
Gernot: Szary und ich wollen auf jeden Falle einen Unimog. Unser Freund Lorenz Brunner (Recondite) ist auch so ein Unimog-Fan. Eines Tages wird das passieren, dann kaufen wir uns einen Expeditions-Unimog und hauen uns ein Studio hinten rein. Das ist das beste Auto, das es gibt. Es fährt auch auf dem Mond, wenn es sein muss.
Sascha: Das letzte Auto, das mich wirklich interessiert hat, war ein alter BMW Coupé. Der E9.
Gernot: Autos sind ja immer eine Typenfrage. Ich brauch was Großes, Schwammiges zum verkifften, gemütlichen Rumcruisen. Sascha braucht den Straßenkontakt und das Direkte und Szary braucht ein Auto, mit dem er überall einfach nur durchfahren kann.
Interview: Ji-Hun Kim
Fotos: Mirjam Wählen