Nachhaltig mit Stil: Ein Gespräch mit Maximilian Missoni

Maximilian Missoni ist mit Design aufgewachsen. Als Sohn eines Grazer Architekten Paares wurde er schon früh an die diversen Schnittstellen der kreativen Formgebung herangeführt und machte schlussendlich die Automobil-Branche zu seinem Spielplatz. Als Designleiter bei Polestar bricht Maximilian Missoni die Grenzen des Altbekannten auf und verleiht der Nachhaltigkeit in der Szene ein Gesicht – und Stil.

Hi Maximilian. Du bist Head of Design bei Polestar. Kannst du mir etwas über deinen Weg dorthin erzählen?
Ich wurde damals im College von Volkswagen gesponsert und habe dann auch zehn Jahre dort gearbeitet. Vier Jahre in Wolfsburg als Designer und dann noch mal sechs Jahre in Berlin in einem Studio, dass sich um alle Auto-Marken gekümmert und Designvorschläge für Projekte realisiert hat. Trucks waren nicht dabei, aber die spannenden Marken wie Audi, Volkswagen, Skoda, Seat, Bentley, Lamborghini, Bugatti, Porsche. Das waren wirklich aufregende Projekte. Ich bin dann 2012 zu Volvo gewechselt als Head of Exterieur Design, also Außen-Design der Fahrzeuge. Das sind jetzt auch wieder sechs Jahre, also von 2012 bis ungefähr 2018. Ich bin dann 2018 zu Polestar gewechselt. 

Und was macht Polestar für dich so besonders?
Polestar wurde von uns als Marke entworfen. Wenn ich sage uns, dann ist es mein damaliger und auch jetziger Chef, Thomas Ingenlath, der CEO von Polestar. Wir haben in der Design Abteilung damals wirklich die ersten Schritte der Marke entwickelt. Wir haben uns gefragt: Wie sieht das Logo aus, wie sieht der Claim aus? Alles von Beginn an, war wirklich von uns selbst entwickelt. Deswegen identifizieren wir uns natürlich ganz anders mit der Marke, als wären wir erst später dazu gekommen. 

Polestar beginnt das Auto-Konzept neu zu definieren. Ihr verbindet Design mit Nachhaltigkeit, was heutzutage ein sehr wichtiger Aspekt ist. Könntest du mir über euer Konzept das dahinter steht erzählen?Grundsätzlich ist Nachhaltigkeit für uns ein ziemlich ernsthaftes Thema. Wir tun das ohne Off-setting und Greenwashing, sondern wir nehmen das ernst. Es ist einerseits wichtig, die Serien-Autos schrittweise im CO2 Ausstoß zu reduzieren. Das spannendste Projekt ist jedoch das Project 0, wo es darum geht, bis 2030 ein Auto zu entwickeln, das in der Produktionsphase keinerlei CO2 ausstößt. Das klingt jetzt erst mal logisch, why not? Aber natürlich alles, was wir tun, stößt CO2 aus. Jeder Zahnstocher, der hergestellt wird, stößt CO2 in der Produktion aus. Das Projekt ist daher natürlich enorm komplex, weil wir Hunderte von Zulieferern haben bei einem Auto. Es wird nicht jede Komponente von Polestar hergestellt, sondern es werden viele Komponenten in Auftrag gegeben bei den Zulieferern. Das heißt deren Prozesse, die haben wieder, wie wir es nennen TOT’s, also Zulieferer, die denen zuliefern. Diese gesamte Kette muss CO2 neutral werden. Deswegen wollen und müssen wir mit den Zulieferern zusammen arbeiten. 

Wie geht ihr ansonsten mit der Klimakrise und dem CO2 Ausstoß aufgrund von Autos um? 
Das Wichtigste war, dass wir öffentlich darüber gesprochen haben, dass Elektroautos nicht per se die Lösung sind. Elektroautos emittieren mindestens genauso viel CO2 in der Herstellung wie Verbrenner. Das wurde eher nicht diskutiert. Wir haben das sehr transparent mal dargelegt. Die Elektroautos sind da nicht viel besser. In der Produktionsphase ist es das Gleiche. Das sind immer im Schnitt 20 bis 25 Tonnen pro Fahrzeug. Und nicht nur für uns, für alle. Daran muss man arbeiten. Das war damals, glaube ich, relativ einzigartig in den offenen Diskurs zu gehen. Das hat unserer Marke, Polestar, auch mehr Glaubwürdigkeit verliehen. Wir haben jetzt einige Firmen an Bord, die diesen Prozess mit uns gemeinsam angehen und gemeinsam mit uns die Lösungen für 2030 entwickeln.

Polestar/Zsolt Marton

Ich habe gelesen, dass ihr bei dem Muse Design Award 2021 gewonnen habt. Könntest du über die Arbeit erzählen, die ihr eingereicht habt und warum du dich für dieses spezifische Projekt dafür entschieden hast?
Der Muse Award war einer von einigen, die wir damals mit dem Precept gewonnen haben. Der Precept war das Fahrzeug, dass wir damals designt haben und das jetzt auch hier in Wien zur Besichtigung steht. Für uns als Marke ist es erstens sehr wichtig die Design Sprache neu zu definieren über Aspekte wie Nachhaltigkeit. Das ist relativ revolutionär. Wir lassen uns inspirieren von neuen Materialien, von neuen Prozessen und wie man Materialien herstellen kann. Wir haben in dem Precept Materialien verbaut, die aus der Modeindustrie bekannt sind, wie 3D Knitting. Diese Dinge haben wir dann in eine Form gegoßen, die sehr modern und ein absolutes Premiumprodukt ist. Dass, ohne die klassischen Premium Karten zu spielen, was die Autoindustrie traditionell macht, mit Leder, Holz, Chrom und Stickereien. Das haben wir nicht getan. Ich glaube, dass hat Aufsehen erregt und auch eben zu solchen Preisen geführt. 

Welche Materialien habt ihr genau benutzt und nach welchen Kriterien habt ihr die Materialien selektiert?
Nicht nur im Zuge dieses Project 0, sondern auch generell suchen wir neue Prozesse. Besonders unser Colour/Material-Team ist dort involviert. Das sind die Designer, die sich mit Farben und Materialien beschäftigen. Die sind da ganz heiß drauf, neue Firmen zu finden und neue Prozesse zu finden. Wir haben zunächst Flachs Fiber verwendet also Flachs Fasern, die auch in der Mode als Leinen Kleidungsstücke verarbeitet werden. Die eignen sich überraschenderweise sehr gut für hochfeste, sehr leichte Materialien, die man im Auto sehr gebrauchen kann. Für Exterieur Teile oder für Interior Paneele. Zusätzlich geben diese Materialien ein sehr schönes ästhetisches Bild, weil sie nicht zu technisch und gleichmäßig wirken wie künstliche Materialien, sondern sehr natürlich textil hart ausschauen. Dann haben wir 3D Knitting verwendet, was für Sportschuhe benutzt wird. Sehr viele Marken wie Adidas oder Nike sind da jetzt ganz groß mit dabei, weil es aus recyceltem PET hergestellt wird. Das ist super spannend und es gibt auch eine ganz neue Ästhetik. Dann hast du plötzlich Interieurs, die zwar sehr hochwertig aussehen, aber trotzdem diesen sportlichen Charakter haben und dann eben nachhaltiger sind und recycelbar oder recycelt. Das Dritte sind Mono-Materialien. Das war zwar nicht beim Precept, sondern bei dem jüngeren Konzept, gerade im O2, wo wir darüber nachgedacht haben.

Polestar/Zsolt Marton

Wo siehst du generell Probleme mit Materialien? Und wie umgeht ihr das?
Das Problem der heutigen Fahrzeuge ist, dass sehr viele an sich gute Materialien haben, die auch theoretisch recycelt werden könnten, aber permanent miteinander verklebt oder verbunden werden auf irgendeine Art und Weise. Das macht das Recycling dann fast unmöglich. Diese verklebten Materialien müssen dann geschreddert werden und dann mit Chemikalien voneinander gelöst. Also ganz wilde Prozesse. Wir haben überlegt, wie viele Komponenten von einem Auto-Interior können wir aus ein und demselben Material machen. Das führt dann dazu, dass du die Materialien schreddest und dann wird es einfach eingeschmolzen und wieder dem Kreislauf zugeführt. Diese Materialen nennen sich Mono-Materialien. Das sind thermoplastische Kunststoffe. 

Du bist grade Teil der Vienna Design Week. Genau da wird ja auch der Precept, aber auch der Polestar 5  vorgestellt. Könntest du über den Polestar 5 erzählen, über das Konzept und wie er sich vom Precept unterscheiden soll?
Polestar 5 ist eigentlich die Serienversion vom Precept, also das gleiche Auto, nur dann zu 2024. Das Auto hat dann 2024 schon die Serien-Entwicklung durchlaufen und wird sich natürlich schon geringfügig unterscheiden. Das ist immer so, wenn Dinge sich entwickeln und wenn mehr Reifegrad reinkommt. Aber im Prinzip wird das Auto sehr ähnlich bleiben und da sind wir auch stolz drauf, dass wir da nicht nicht zu viel versprochen haben. Wir haben auch, muss ich dazu sagen, eine recht nette Doku Serie im Internet auf YouTube. Wir haben unter anderem auch Konflikte, wo wir nicht einer Meinung sind mit unseren Partnern in der Entwicklung. Wir haben bisher Design, interior Design, exterior Design und Windkanal. Aber jetzt geht es natürlich noch viel weiter, jetzt müssen erst die Werkzeuge gemacht werden für das Auto. Das Ganze muss noch getestet werden und gecrasht werden. Da gibt es jetzt sehr viele spannende Episoden, die jetzt kommen. Mir ist keine Firma bekannt, die zu so früher Phase schon so einen tiefen Einblick in die Entstehung gibt und die Leute auch begleitet.

Polestar/Zsolt Marton

Wohin wird sich die Design Branche deiner Meinung nach in den nächsten 10 bis 25 Jahren entwickeln? Und welche Chancen ergeben sich daraus für Polestar deiner Meinung nach? 

Mein persönlicher Ansatz ist, dass ich erkenne, dass wir als Designer immer mehr involviert sind und auch sein müssen in dem Produkt-Entstehungsprozess. Früher war es so, dass Designs eine Art von  Schmiermittel waren, also irgendwelche technologischen Innovationen, um das Produkt in den Markt hinein flutschen zu lassen: Jetzt haben wir eine Technik und haben einen Motor. Jetzt haben wir eine grundsätzliche Proportion der Autos. Jetzt stylen wir es noch ein bisschen und dann kaufen es die Leute lieber. Ich glaube, diese Art von Herangehensweise stellt sich meiner Meinung nach gerade zumindest bei uns ein bisschen auf den Kopf. Wir erkennen, dass man Produkte komplett neu denken muss, wenn man sie auch wirklich singulär machen will, nachhaltig machen will. Da sind wir Designer natürlich gefordert, erstmal bei dem gesamten Prozess mit dabei zu sein und uns zudem auch bewusst zu sein, dass wir ziemlich viel Einfluss auf Kunden haben. Wir können vieles schön machen und es hängt nicht unbedingt damit zusammen, ob es wirklich ein vernünftiges Produkt ist. Wir müssen uns fragen: Was machen wir eigentlich? Ich glaube, das setzt sich jetzt unter Designern langsam durch. Man sollte sich auch fragen, macht mein Job Sinn oder mache ich den nur, weil ich Geld verdienen will. Ich glaube, ähnlich ist es bei Polestar auch, dass wir uns tiefer Gedanken machen müssen über die Produkte, die wir gestalten. 

Interview: Luisa Kühne
Fotos: Polestar/Zsolt Marton




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